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Vom 22.7.2006

 

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Gruppenbild: Die Teilnehmer der Bürgerreise mit Moncallieris OB Bonardie (dunkler Anzug vorne), daneben Organisator Fritz Gantner Foto: Fritsch


Bürgerreise zu Bernhardusfest in Moncalieri: Tausende Zuschauer bei beeindruckendem Mysterienspiel
Lebendige gemeinsame Geschichte

 

VON PATRICK FRITSCH

 

Moncalieri - "Wir teilen eine gemeinsame Geschichte", sagt Lorenzo Bonardi. Eine lebendige Geschichte zudem, ja eine immer noch aktuelle Geschichte, die ihren Ursprung vor 548 Jahren hat - und Baden-Baden mit der piemontesischen Partnerstadt Moncalieri verbindet. Bonardi, Oberbürgermeister der rund 60 000 Einwohner zählenden Stadt vor den Toren Turms, sieht in dieser Historie die Basis für die "europäische Gemeinde" und die daraus wachsende "starke Freundschaft" - ausgelöst durch den Tod eines Mannes auf kaiserlicher Mission: Markgraf Bernhard von Baden starb am 15. Juli 1458 im Alter von 30 Jahren auf der Rückreise von Genua in einer Herberge neben dem Franziskanerkloster in Moncalieri - an der Pest.

 

"Fest des Schutzpatrons hat höchste Priorität"

 

Wegen seiner Stellung als Fürst und Gesandter des Kaisers in Sachen Kreuzzüge gen Osten wurde Markgraf Bernhard von Baden vor dem Hochaltar der Kirche Santa Maria della Scala zur letzten Ruhe gebettet. Ehre erwies ihm auch ein einfacher Mann, ein Krüppel, der nach einem Gebet plötzlich wieder ohne Krücken laufen konnte. So wird es erzählt. Und so wird die Geschichte gespielt - an diesem 15. Juli des Jahres 2006 auf dem Marktplatz von Moncalieri.

 

Beifall von mehreren tausend Besuchern brandet auf - darunter die mehr als 60 Teilnehmer einer Bürgerreise aus Baden-Baden, die das mittelalterliche Mysterienspiel auf dem Marktplatz verfolgen. In diesem Augenblick kann Piero Vacchio schon mal ein wenig durchatmen, bevor die Prozession vom Hügel hinab auf einem mehr als drei Kilometer langen Weg bis zur Kirche im Stadtteil Borgo Aje, die Beato Bernardo gewidmet ist, beginnt. Piero Vacchio ist Organisator und - Erfinder dieses bunten historischen Schauspiels: Immer weniger Menschen hatten sich ehedem zur Prozession eingefunden - bis sich die Gesellschaft Beato Bernardo an den 67-Jährigen, der auch die Karnevalsumzüge organisiert. Wandte. "Was könnte man machen, um die Anziehungskraft zu erhöhen", erinnert er sich an die Frage. Gemeinsam mit einem Historiker entwickelte Vecchio im Jahr 1988 die Idee des Mysterienspiels. Und seither führt auch der prachtvolle gläserne Schrein mit den Reliquien des ehemaligen badischen Markgrafen, geschultert von mehreren Trägern, den religiösen Zug an. "Bernhard von Baden ist unser Schutzpatron. Und deshalb hat das Fest zu seinen Ehren für Moncalieri höchste Priorität", betont Vecchio.

 

"Triebe, Blüten und Früchte bringt es hervor", sagt der kurstädtische Pfarrer Thomas Maier auf dem geschmückten Marktplatz vor Beginn des Schauspiels. "Es", das ist für ihn eine "Manifestation des Glaubens". Und tags darauf, bei einer feierlichen Messe, umreißt Maier in seiner Predigt den Gedanken. der ihn auch heute noch bewegt: "Bernhard hat Völker zusammengeführt."

 

Tiefe Beziehungen gewachsen

 

In exakt diesem Sinne ist auch der Leitartikel der Festschrift der Stadt Moncalieri überschrieben: "Moncalieri e Baden-Baden unite da Bernardo." Bernhard eint zwei Städte - und sorgt posthum für tiefe Beziehungen. "Die Herzlichkeit schlägt einem entgegen, man wird sehr schnell freundschaftlich aufgenommen", sagt Friedrich Gantner, stellvertretender Vorsitzender des kurstädtischen Partnerschaftsvereins. Gantner muss es wissen, denn er fährt jährlich oft mehrfach in die Stadt am Po. Und wer die Begegnungen beobachtet, die Religiösität, aber auch das Lachen, die Umarmungen, der sieht, was OB Bonardi sagte: "Wir teilen eine gemeinsame Geschichte."

 

IM BLICKPUNKT

 

Ist Seliger Bernhard von Baden bald ein Heiliger?

 

Moncalieri/Baden-Baden (pf) "Die Bemühungen laufen", sagt Pfarrer Thomas Maier. Steht Bernhard von Baden vor der Heiligsprechung? Erzbischof Robert Zollitsch unterstützt das Vorhaben.

 

Die Vorstufe zur Heiligsprechung hat Bernhard von Baden 1769 erlangt: 311 Jahre nach seinem Tod ist er selig gesprochen worden. Auslöser: Sein Grab war rasch zu einem Wallfahrtsort geworden, "an dem sich zahlreiche Wunder ereignet haben", schreibt das Erzbistum Freiburg über Bernhard von Baden. Wunder sind neben einem tadellosen Lebenslauf in der Regel eine Voraussetzung für die posthume Erhebung in den Heiligenstand. Bei diesen Wundern handelt es um Heilungen: Kranke müssen, etwa am Grab, erfolgreich um Hilfe angerufen haben. Im Falle Bernhards gibt es laut Pfarrer Maier eine offizielle Liste mit mehr als 60 Wundern. Die Heiligsprechung ist eine feierliche Erklärung des Papstes, der ein kirchenrechtliches Verfahren vorausgeht. Während des Pontifikats von Johannes Paul II. sind 482 Personen heilig gesprochen worden.

 

Neben den Wundern wird dem ehemaligen Markgraf von Baden eine vorbildliche Lebensführung bescheinigt: Bernhard teilte sein Einkommen in drei Teile - eines für die Armen, eines für die Kirche, nur ein Drittel verwendete er für sich selbst. Darüber hinaus führte er ein streng religiöses Leben und entsagte allen weltlichen Vergnügungen. Auch auf eine Ehe verzichtete er.


Bernhard von Baden war "ein guter Fürst", sagte Pfarrer Maier im Gespräch mit unserer Zeitung am Rande des Bernhardusfestes in Moncalieri. Er habe auch "auf Macht und Einfluss verzichtet" und könne deshalb auch der heutigen Jugend viel geben. "Denn die Jugend will große Ziele vor Augen haben wie Bernhard", betont Maier. Zudem sei Bernhard ein "Vermittler bei Streitigkeiten" gewesen. Auch Erzbischof Zollitsch strebt laut Maier die Heiligsprechung an. Im vergangenen Jahr hatte Zollitsch den Seligen Bernhard in einer Predigt gewürdigt: Er schlage heute so wie früher Brücken über Grenzen und führe Menschen verschiedener Nationen zusammen.

 

Wie Maier weiter sagt, ist Papst Benedikt über das Vorhaben informiert. Dass derzeit ein deutscher Papst die römisch-katholisch Kirche führt, erhöhe sicher die Chance für einen Erfolg der Bemühungen. Der Sekretär des Papstes sei schon eigens nach Moncalieri gefahren.

 

SPLITTER 1

 

· Vor den Toren Turins: Moncalieri ist 610 Kilometer von Baden-Baden entfernt und liegt zum Teil auf sanften Hügeln in unmittelbarer Nachbarschaft zu Turin, der Provinzhauptstadt des italienischen Piemont. Die Partnerschaft mit Baden-Baden besteht seit 1990. Basis dafür war die Verbindung der beiden Städte mit Bernhard von Baden. Moncalieri hat rund 60 000 Einwohner, viele davon stammen aus Kalabrien im Süden Italiens. Sie sind auf der Suche nach Arbeit gen Norden zugewandert und haben etwa in der Automobilindustrie (Fiat) oder bei Zulieferern Arbeit gefunden. Weiterer wichtiger Faktor ist die Landwirtschaft - vor allem Frühgemüse, Obst und Blumen. In Moncalieri hat aber auch die größte Druckerei Italiens ihren Sitz. Natürlich bietet Moncalieris Gastronomie allerhand kulinarische Genüsse.

 

· Schöne Altstadt: Als Gründungsjahr von Moncalieri gilt 1228. Am höchsten Punkt der Stadt liegt das Schloss, erbaut 1647 bis 1683. Es kann nur nach Anmeldung in Gruppen besichtigt werden, weil es zu großen Teilen als Sitz eines Ausbildungsbataillons der Polizei dient. Die wichtigste Kirche ist die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaute Santa Maria Della Scala neben dem Rathaus direkt am Marktplatz in der Altstadt. In dieser Kirche steht auch der Schrein des Seligen Bernhard von Baden. Daneben verfügt Moncalieri über zahlreiche schöne barocke Gebäude und teils imposante, sanierte Paläste. Allerdings ist Moncalieri kein Schmuckkästchen. Selbst in Nebengassen der schönen Altstadt gibt es noch einiges zu tun.

 

· Entdeckungsfahrt: Erneut organisiert wurde die Bürgerreise von Friedrich Gantner, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Partnerschaftsvereins. Mehr als 60 Bürger aus Baden-Baden, Sinzheim und Hügelsheim lernten nicht nur Moncalieri, sondern auch das Zentrum Turins kennen. Neben der Teilnahme am Bernhardusfest standen unter anderem Ausflüge ins piemontesische Weinland Langhe und Roero sowie in den beeindruckenden Wallfahrtsort Oropa auf dem Programm. Und natürlich: Die viertägige Reise war auch eine kulinarische Entdeckungsfahrt.

 

· Hohe Ehre: Wie berichtet, erhielt die ehemalige OB Sigrun Lang am vergangenen Samstag die Ehrenbürgerwürde von Moncalieri. In den vergangenen 90 Jahren wurde diese Auszeichnung nur 16 Mal verliehen. Als offizielle Vertretung der Stadt Baden-Baden wohnten der Ehrung die Bürgermeister Klaus Michael Rückert und Kurt Liebenstein sowie Monika Layer vom Schul-, Kultur- und Sportamt bei. Altstadtrat Otto Eberhard Kugler hatte diese Würdigung für sein Engagement für die partnerschaftlichen Beziehungen im Jahr 1997 erhalten - als dritter Ausländer nach US-Präsident Woodrow Wilson und dem späteren polnischen Staatspräsidenten Lech Walesa.

 

· Viel Beifall: Die Feiern im Rahmen des Bernhardusfestes hat neben Pfarrer Thomas Maier auch der Chor der Fidele-Jehle-Runde/Hügelsheimer Carneval Club mitgestaltet - letzterer mit musikalischen Auftritten, wofür es viel Beifall gab.

 

· 550. Todestag in 2008: Im Jahr 2008 jährt sich der Todestag des Seligen Bernhard von Baden zum 550. Mal. Gut möglich, dass dann das Bernhardusfest nach 2005 erneut in Baden-Baden stattfinden wird. Die Erzdiözese Freiburg jedenfalls würde die Veranstaltung auch finanziell unterstützen, wie Pfarrer Thomas Maier, der die geistliche Leitung der Bürgerreise innehatte, sagt.

 

SPLITTER II

 

· Nicht nur auf Papier: "Eine Partnerschaft nur auf dem Papier ist keine Partnerschaft". sagt Friedrich Gantner. "Eine Partnerschaft ist auch keine Partnerschaft zwischen Bürgermeistern", sondern müsse Menschen zueinander führen. Deshalb engagiert sich Gantner seit 1992 für die Beziehungen zwischen Baden-Baden und Moncalieri - mit Erfolg. Jahr für Jahr fahren Vereine oder Gruppen gen Süden - und der Schüleraustausch darf als lebendig gelten. Die nächste Bürgerreise findet vom 30. September bis zum 3. Oktober statt.

 

 

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